Ohne Einspruch kein Anspruch - das wissen auch die Luftverkehrsgesellschaften. Nach Aussage von Martin Gaebges, Generalsekretär des internationalen Luftverkehrsverbands (Barig), wollen mehr als 20 Fluggesellschaften im Planfeststellungsverfahren zum Flughafenausbau Einwendungen erheben, damit sie später gegen das geplante Nachtflugverbot klagen können. Die Lufthansa, die ein Nachtflugverbot schon immer abgelehnt hat, überlegt angeblich noch, ob sie eine Einwendung erheben wird.
Nach Auskunft von Gaebges wären vor allem die Cargo-Unternehmen von einem Nachtflugverbot betroffen, am stärksten die Lufthansa Cargo AG. Auch Ferienflieger wie Condor, Hapag Lloyd und LTU wären stark betroffen, weil bei einem Nachtflugverbot keine drei Umläufe zu den Feriengebieten am Mittelmeer möglich wären. Die Fluggesellschaften fordern ein "flexibles" Nachtflugverbot mit Ausnahmen. Gaebges: "Man muss im Einzelfall schauen, ob es bei diesen Gesellschaften Alternativen zu den Nachtflügen gebe. Wenn nicht, muss es Ausnahmen vom Nachtflugverbot geben."
Stellungnahmen aus der Politik waren am Freitag eher spärlich. Die Grünen im hessischen Landtag sahen sich in ihrer Meinung bestätigt, dass Koch seine Zusage nicht einhalten werde, das angekündigte Nachtflugverbot sei nur eine "Beruhigungspille" für die Bevölkerung. Die Landtags-SPD erklärte, "ohne Nachtflugverbot werde es keinen Flughafen-Ausbau geben", und forderte die Landesregierung auf, dies "unmissverständlich den Fluggesellschaften klar zu machen". Die SPD-Stadtverordnetenfraktion in Frankfurt forderte die Landesregierung auf, das Planfeststellungsverfahren zum geplanten Ausbau des Flughafens so lange auszusetzen, bis die Fluggesellschaften ihre Einsprüche gegen das vorgesehene Nachtflugverbot von 23 Uhr bis 5 Uhr zurückgezogen haben.
Erst am Montag äußerte sich Staatsminister Stefan Güttler als Chef der Staatskanzlei. Die Landesregierung werde ihren Kurs auch in Zukunft "klar und eindeutig" gehen, sagte Güttler: "Ohne Ausbau kein Nachtflugverbot, ohne Nachtflugverbot kein Ausbau". Die mit dem Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr verbundenen Probleme könnten gelöst werden. Güttler wies auf die Post als Beispiel hin, die anfangs auch keine Alternative zu Nachtflügen gesehen habe. Mittlerweile sei durch Umstellung der Logistik der Nachtpoststern entbehrlich geworden. Tatsächlich wird der Nachtpoststern langsam aufgelöst, die Transporte werden auf die Straße oder zum Flughafen Leipzig verlagert.
Auch die CDU-Landtagsfraktion kritisierte die Fluggesellschaften. Der wirtschaftspolitische Sprecher Boddenberg meinte, es sei und bleibe "die klare Haltung der Landesregierung, dass der geplante Ausbau des Frankfurter Flughafens untrennbar an ein Nachtflugverbot zwischen 23 Uhr bis 5 Uhr gekoppelt ist". Boddenberg wies darauf hin, dass durch den mit dem Ausbau verbundenen Kapazitätsgewinn auch "großartige Perspektiven für das Drehkreuz Frankfurt und die Fluggesellschaften entstünden". Andererseits müssten aber auch die Verantwortlichen in den Fluggesellschaften erkennen, dass den berechtigten Anliegen der Menschen in der Region Rechnung getragen werden müsse. "Es ist uns bewusst, dass die Umstellung auf ein Nachtflugverbot für die Airlines eine große Herausforderung bedeutet. Hier wird Hessen alle denkbaren Hilfe geben", so der CDU-Politiker abschließend.
Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag Hahn, rief dazu auf, den "zentralen Kompromiss" beim Ausbau des Frankfurter Flughafens einzuhalten, nämlich die Kopplung des Ausbaus an ein neues Nachtflugverbot. "Ich kann die Fluggesellschaften nur zur Mäßigung aufrufen. Wer gegen das Nachtflugverbot vorgeht, gefährdet den Ausbau und damit den Standort. Das sind eben zwei Seiten ein und der selben Medaille."
Auch der Vorsitzende des RDF, Prof. Wörner, der sich als "Hüter der Mediation" sieht, meldete sich schnell zu Wort: Das Nachtflugverbot sei Teil des Fünf-Punkte-Paktes zur Zukunft des Rhein-Main-Flughafens, deshalb "müssen wir daran festhalten". Zwar dürften die Interessen der Airlines nicht außer Acht gelassen werden. "Wir müssen jedoch auch die Interessen der Anwohner der Flughafenregion berücksichtigen", sagte der RDF- Vorsitzende.
An schönen Worten herrscht also kein Mangel. Dabei sollten die Politiker wissen, dass sie mangels gesetzlicher Grundlagen gar keine rechtlich verbindlichen Zusagen für ein Nachtflugverbot machen können - die Angelegenheit wird vor den Gerichten entschieden. Ob Klagen gegen ein Nachtflugverbot Erfolg haben könnten, ist unter den Juristen umstritten. Letztlich muss abgewogen werden, was wichtiger ist: der Betrieb eines "internationalen Flughafens", der nur mit guten Gründen eingeschränkt werden darf, und dem Interesse auf ungestörte Nachtruhe und Schutz der Gesundheit für die Menschen, die im Umfeld des Flughafens leben. Die bisherigen Entscheidungen im Ausbauverfahren lassen für diese Abwägung nichts Gutes ahnen.
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