Einer, früher in ganz Deutschland verbreiteten, Redewendung zufolge sind die Hessen blind. Mögen sie blind sein, taub sind sie bis jetzt noch nicht. Schade eigentlich, sie hätten ‘s dann besser, die Südhessen zumindest.
Das lässt sich ändern. Am einfachsten ist das in der Disko zu erreichen. Aber da gehen nur die Teenies und die Twens hin. Das reicht also nicht. Um alle hessischen Trommelfelle zu überdehnen, gibt es ein probateres Mittel: Die Leute müssen in die Luft gehen.
Der Frankfurter Fluchhafen ist kein Ort, an dem unentwegt geflucht wird. Vielmehr bezeichnet der Terminus eine Institution, von der aus Tag und Nacht die Umgebung - böse Zungen behaupten sogar bis ins benachbarte Rheinland-Pfalz - mit infernalischem Lärm überzogen wird, damit Kleinkinder und Greise die Krankenhäuser füllen und das Klima weiter aufgeheizt wird.
Das muss so sein! Und deshalb muss der Fluchhafen auch ausgebaut werden, sonst würden die Hauspreise in Raunheim, Hochheim, Walldorf-Mörfelden und Mainz weiter steigen, und die Jobmaschine Fraport könnte keine Arbeitsplätze beim Chemiewerk Ticona vernichten, sonst ginge die Hubfunktion verloren. Manche Maschinen würden von Düsseldorf oder München direkt nach New York fliegen, statt die Passagiere erst nach Frankfurt zu bringen, wo sie bequem in die Jumbos umsteigen und sich an der verlängerten Flugzeit erfreuen können. Die Tausende zusätzlicher Landungen mit Passagieren von überall her und ebenso viele kerosinfressende Starts freuen nicht nur die Raffineriebetreiber. Das bringt der Fraport auch ein paar zusätzliche Milliönchen für den Aufbau der angestrebten Megacity, die den überfüllten Großstädten Frankfurt, Mainz und Wiesbaden endlich die Geschäfte absaugt. Auch in den umliegenden Kleinstädten, wie Hochheim, sind dann längst nicht mehr so viele Einzelhandelsgeschäfte nötig, denn hier, am Fluchhafen, hat man dann alles, was der Mensch so braucht, zwischen zwei Flügen, oder nach dem Einchecken, und zwar 24 Stunden am Tag: Modegeschäfte, Medienmärkte, Spielkasinos und Sexshops, eine Klinik für Schöheitschirurgie und ein Dopingcenter für weltreisende Radrennfahrer.
Der Hubverlust aber wäre das wirtschaftliche Ende für das Frankfurter Umland, und die Berliner könnten sich ins Fäustchen lachen, wenn die Lufthansa die Berliner Luft endlich etwas auffrischen würde, indem sie dort ihr neues Drehkreuz errichtet.
Nachtflugverbot hin - Nachtflugverbot her. Da kann einer sagen, was er will, es führt kein Weg dran vorbei: Die Vorsorge für 900000 Flugbewegungen im Jahr muss getroffen werden. Warum eigentlich so bescheiden? Eine Million wäre doch eine anstrebenswerte, runde Zahl, und würde die Betreiber von London Heathrow und Paris Charles de Gaulle das Fürchten lehren.
Ohne Fluchhafenerweiterung würden eine Menge Richter und Rechtsanwälte arbeitslos, weil keine Anliegergemeinden mehr klagen würden. Man brauchte keine zusätzlichen Polizeihundertschaften zur Überwachung des Ausbaus rund um die Uhr. (Schließlich war es ja schon ein Fehler, dass man 1949 die Todesstrafe abgeschafft hat. Haben die Gründungsväter der Bundesrepublik denn nicht begriffen, dass sie damit alle Henker in die Arbeitslosigkeit stürzen?) Die Holzfäller und die Hersteller der Harvester hätten nichts zu tun, und besonders schlimm erginge es den Fensterherstellern und den Glasern, weil sie nicht - wie von klugen Luftfahrtrechnern vorgeschlagen - auf Kosten der Gemeindekassen dreifach verglaste Fenster in sämtliche Altbauten einziehen könnten.
Den sozialen Aspekt sollte man in dem Zusammenhang auch keineswegs übersehen: Wer sich das leisten kann, zieht eben weg und schafft Platz für minderbemittelte Randgruppen. Durch fallende Mieten und Hauspreise entsteht endlich ausreichend Wohnraum für Schwerhörige.
Und überhaupt: Die Käfighaltung ist eh billiger, als wenn die Menschen dauernd ihre Freizeit auf der Terrasse oder im Schrebergarten verbringen. Ist ja auch viel gesünder. Wer mehr als eine halbe Stunde in der Sonne ist, kriegt Hautkrebs. Außerdem hält sich die Fraport konsequent an das Nachtflugverbot. Als Vorbild dafür dienen ihr die hessischen Autofahrer: In der 30-km-Zone fahren die selten über 70.
Nein, mit einem Fluch hat das wirklich nichts zu tun. Es ist eben nur hessisch, und wenn die Einwohner des Main-Taunus-Kreises, der Kreise Groß- Gerau, der Main-Kinzig-Kreis und Offenbach sowie der Hauptstadt des befreundeten Auslands (gemeint ist Rheinland-Pfalz) nicht am Lärm und an Abgasen zugrunde gehen, dann leben sie eben weiter.
Hand aufs Herz! Sie werden natürlich überleben, und zwar nach dem Prinzip „Survival of the fittest“!
Zu denen zu gehören wünscht Ihnen Ihr
Helmut Belloff
Flughafen-Ausbau FRA Gesundheitliche Lebensqualität
Unser Standpunkt: Ja zur Wirtschaftsregion Rhein-Main - Nein zum Flughafenausbau !