Regionales Dialogforum (RDF) veröffentlicht Jahresbericht
Was ist aus Millionen DM Steuergeldern geworden ?
Von: @ -&lt;[ @ufgeflogen ]&gt;- <2002-01-12>
Dieses Jahr nicht genug Weihnachtsgeschenke bekommen? Beim Dialogforum finden Sie nachträglich noch eins. Pünktlich zum Fest erschien der erste Jahresbericht des RDF. Er umfasst allerdings nicht das Jahr 2001, wie man annehmen würde, sondern das erste Jahr des Bestehens, vom Juli 2000 bis Juni 2001. Die Redaktion verschob die Lektüre des Berichts sicherheitshalber bis nach die Weihnachtsferien: Diskussionen über eventuelle spannende neue Erkenntnisse hätten womöglich die friedliche Weihnachtsstimmung gestört. Doch so schlimm war es dann doch nicht. Die aufregenden Neuigkeiten blieben aus, der Adrenalinspiegel unten.
Für diejenigen, die sich nicht selbst durch den 73-seitigen Bericht wühlen wollen, geben wir hier einen Überblick.

Die konstituierende Sitzung des RDF fand am 23.6.2000 statt. Gleich zu Anfang des Berichts freut man sich darüber, das das „Mediationspaket in Politik und Gesellschaft angenommen worden sei“, trotz der Protokollnotiz der kommunalen Mitglieder, dass sie eigentlich keinen Ausbau wollten. Die Spitzen von Politik und Gesellschaft haben das „Mediationspaket“ tatsächlich gut angenommen, die Betroffenen weniger - aber wen interessieren die denn noch. Die Protokollnotiz hätte eben doch größer sein müssen. Oder die Kommunalvertreter hätten dem Paket gar nicht erst zugestimmen sollen. Da wäre einiger Ärger erspart geblieben.

Das RDF hat formal 31 Teilnehmer. Zwei Teilnehmer (Bund und NABU) sind inzwischen ausgeschieden, ein Platz ist zur Zeit noch frei. Die 7 Plätze der Städtevertreter sind doppelt besetzt. Die spannende Frage, wie denn das Stimmrecht bei den „doppelt besetzten“ Plätzen zu handhaben ist, wird erwähnt, aber nicht beantwortet, „da der Vorsitzende beabsichtigt, möglichst keine Kampfabstimmungen durchführen zu lassen, bei denen es auf jede einzelne Stimme ankommt“. Man will schließlich einen breiten Konsens schaffen. Unsere Zählung ergibt zur Zeit ein leichtes Übergewicht für den Block der Ausbau-Befürworter.

Das Dialogforum kostete in 2001 rund 4 Millionen (DM), eingezahlt in einen Fonds. 2,5 Millionen zahlt der Steuerzahler direkt, weitere 1,5 Millionen die Fraport (und damit über Einnahmeausfälle der Steuerzahler indirekt). „Durch die gemeinschaftliche Entscheidung im RDF über die Mittelverwendung werden die Gelder im Fonds neutralisiert, auch wenn die einzahlenden Institutionen nicht unbedingt als neutral wahrgenommen werden“, meint der Bericht. Im nächsten Jahr wird es sicher noch teurer werden, wenn erst einmal die Gutachten bezahlt werden müssen. In Geschäftsbericht einer solchen Institution würde man eigentlich auch einen Finanzbericht erwarten, in dem die Verwendung der Mittel dokumentiert ist. Aber mit banalen Finanzfragen will man die Öffentlichkeit ja sicher nicht langweilen?

Lesen wir weiter. Ein bemerkenswertes Statement findet man zur Öffentlichkeitsarbeit: „Da nicht nur die 31 Repräsentanten im RDF, sondern auch ihre Institutionen und die gesamte Region die Ergebnisse tragen sollen, müssen bereits Zwischenergebnisse und Diskussionsschritte transparent gemacht werden." Das RDF müsste sich jetzt nur noch dran halten. Zwischenergebnisse in Gestalt von Gutachten werden zwar tatsächlich zeitnah veröffentlicht. Die Transparenz der Diskussionsschritte entspricht dagegen der von schwarzer Pappe. Die Mitglieder haben laut Geschäftsordnung über den Verlauf der Sitzungen Stillschweigen zu bewahren, Protokolle werden nicht veröffentlicht, die Pressemitteilungen sagen wenig und verschleiern viel - wie soll man da die Diskussion verfolgen können. So gelangte die Ausstiegsdrohung der Bürgermeister, die einige Zeit als Damoklesschwert über dem Forum hing, nur durch gezielte Indiskretionen an die Presse und damit an die Öffentlichkeit.

Im weiteren Verlauf des Berichts werden einige „Erfolge“ des RDF geschildert. Lang ist die Liste nicht.
So wird behauptet, dass nur auf Intervention des RDF hin die Bestandteile Nachtflugverbot, Optimierung und Antilärmpakt überhaupt in den Landesentwicklungsplan aufgenommen wurden. Leider landete dann der Ausbau als verbindliches Ziel im LEP, die anderen Bausteine nur als Empfehlung, was für die Umweltverbände BUND aund NABU des Fass zum Überlaufen brachte: sie stiegen aus dem RDF aus. Als weiteren Erfolg sieht man auch Minister Poschs „Deckelung“ der Nachtflüge und sein umstrittenes Schallschutzprogramm; die Betroffenen haben dieses jedoch als Mogelpackung eingestuft. Und dann wird noch Prof. Wörners „Zug-um-Zug“-Konzept wird erwähnt. Ob es jetzt im RDF beschlossen wurde oder nicht, erfahren wir auch hier nicht. Da Zustimmung zum „Zug-um-Zug“-Konzept auch Zustimmung zum Ausbau beeinhaltet, konnte der gewünschte breite Konsens vielleicht hier nicht geschaffen werden?

Als generelle Aufgaben hat sich das RDF „Klärung von Sachfragen“ und „Verständigung durch Dialog“ auf die Fahne geschrieben.

Die Klärung von Sachfragen erfolgt in den Projektteams anhand eines Arbeitsprogramms, das sich größtenteils an die Restantenliste der „Mediation“ anlehnt. In den Projektteams werden Hearings zu Sachfragen durchgeführt und die geplanten Gutachten vorbereitet und begleitet. Vertreten sind dort „fachlich versierte/inhaltlich zuständige Vertreter der im RDF beteiligten Institutionen“. Die Formulierung im Bericht trifft die Sachlage: manche Teilnehmer haben sehr viel Ahnung, andere fast gar keine, und so wird ein signifikanter Teil der fachlichen Arbeit vom Öko-Institut (wissenschaftliche Begleitung) übernommen. Insgesamt sieht es so aus, als würde das Arbeitsprogramm trotz der gegensätzlichen Blöcke, die sich auch in den Projektteams gegenüber stehen, effizient und ohne Umwege durchgezogen. Am Ende werden etliche Gutachten stehen, von denen Ausbau-Befürworter und Ausbau-Gegner hoffen, dass sie ihre Meinung bestätigen werden - deshalb machen alle mit. Durch die Verabschiedung der Gutachten im Konsens wird es später sehr viel schwieriger sein, dagegen zu argumentieren, als bei den Gutachten der „Mediation“. Auch Ausbau-Gegner, die gar nichts vom RDF halten, sind gut beraten, diese Entwicklung aufmerksam zu verfolgen. Eine Inhaltsübersicht zu den Themen der Projektgruppen kann im Bericht gut nachgelesen werden.

Ein interessantes Detail: der Hinweis, dass „die Projektteams für weitere interessierte Personen und Institutionen“ geöffnet wurden. Das hört sich vordergründig demokratisch an - tatsächlich finden sich in den Teilnehmerlisten einzelne Personen, die nicht recht zuzuordnen sind. Warum gerade sie hineingekommen sind, bleibt offen. Konnte man sich melden? Vielleicht versuchen Sie es einfach mal, sich zur Teilnahme zu melden ... Die Aussage, dass „etliche Vertreter von Bürgerinitiativen zur Mitarbeit in den Projektteams gewonnen werden konnten", verzerrt das Bild. Es handelt sich nur um die WIDEMA und „Pro Flughafen“, die sich von Anfang an um die RDF-Teilnahme gedrängelt haben. Und das sind ja wohl keine typischen Bürgerinitiativen.

Und was hat das RDF zum Punkt „Verständigung durch Dialog“ geleistet? Da werden das Bürgerbüro, der Informationsstand auf dem Hessentag und öffentliche Veranstaltungen aufgeführt. Nichts gegen das Bürgerbüro. Ausleihbare Schallpegelmessgeräte und Flugrouten-Karten und kann man gut gebrauchen, das Informationsmaterial ist allerdings nur für Anfänger in Sachen Flughafenausbau interessant. Es ist auch schön, wenn „Bürgerinnen und Bürger bei den Mitarbeiterinnen in einem persönlichen Gespräch ihre Sorgen, Anregungen und Wünsche zum Thema Flughafenausbau an das RDF weitergeben“ können. Wer Lust und Zeit hat, kann sich sogar zweimal im Monat bei Dialogstunden mit RDF-Mitgliedern in der Diskussion messen. Nur: Ändern tut sich dadurch gar nichts. Ausbau-Gegner investieren ihre Zeit besser in die Mitarbeit bei einer Bürgerinitiative.

Sehr zufrieden war man beim RDF mit dem Auftritt auf dem Hessentag, wo man die Arbeit des Dialogforums auch auf der anderen Seite des Flughafens bekannt machen wollte - an einem komfortablen Stand im Zelt der Landesregierung. Angelockt wurden die Besucher durch die „Frage des Tages“, über die sie durch Einwerfen von bunten Bällen in Plexiglasröhren abstimmen konnten; ein Gag, der bei Erwachsenen und Kindern gut ankam. Im Jahresbericht des Bürgerbüros heisst es nämlich, dass 4400 Menschen die Dienste des Bürgerbüros in Anspruch genommen haben, nach „mehreren Hundert“, die laut Jahresbericht ins Bürgerbüro kamen. Wie diese wundersame Vermehrung der Besucherzahl zu Stande kommt? Wir vermuten, dass die an allen 10 Tagen bei der Abstimmung eingeworfenen Kugeln gezählt wurden ...
Zum Vergleich: Das Bündnis der Bürgerinitiativen (BBI) hatte beim Hessentag nur eine primitive Bretterbude, hat aber allein 2000 weitere Unterschriften gegen den Flughafenausbau gesammelt. Rechnet man alle Besucher dazu, die nur mal auf ein paar Worte stehengeblieben sind oder Infos mitgenommen haben, gab es mindestens 10000 Publikumskontakte - auch das BBI fand den Hessentag super.

Und die öffentlichen Veranstaltungen des RDF?
Im Berichtszeitraum wurden zwei Veranstaltungen mit dem Ziel „Information der Bürger“ angeboten.
Die erste zum Thema Lärmschutz war ok. Die zweite zum Thema „Wer realisiert dasNachtflugverbot“ in Flörsheim (wir berichteten) geriet zum Fiasko: aufgebrachte Bürger liessen kein gutes Haar an den Behörden- , Fraport- und RDF-Vertretern auf dem Podium. Über diese Veranstaltung gab es von Seiten des RDF denn auch keine Pressemitteilung. Weitere Veranstaltungen dieser Art haben seitdem nicht mehr stattgefunden.

Ein weiterer Veranstaltungstyp, mit dem das RDF arbeiten will, ist die „Fokusgruppe“, mit deren Hilfe man die Bevölkerung in die Diskussion einbeziehen will. Zur ersten Veranstaltung dieser Art wurde eine vom IFOK handverlesene Stichprobe von Bürgern eingeladen und nach ihren Erwartungen, Sorgen und Wünschen bezüglich RDF und Flughafenausbau befragt. Der umfangreiche Input wurde in einen professionellen Bericht verwandelt, den RDF-Teilnehmern gezeigt und ins Internet gestellt - weitere Wirkungen hatte er nicht. Zur zweiten Veranstaltung dieser Art im letzten Dezember wurde trotz intensiver Teilnahmewerbung die „Bevölkerung“ dann nur noch recht spärlich gesichtet, RDF-Teilnehmer und Insider blieben unter sich.

Die dritte Veranstaltung, der "Mediationskongress", sollte das Frankfurter Mediationsverfahren einer grossen Fachöffentlichkeit darstellen. Originalton zu „Mediation“ und RDF: "Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen, und Roland Koch, Hessischer Ministerpräsident, würdigten in ihren Reden diese beispielhaften Verfahren, die zum Vorbild für den Dialog von Gesellschaft und Politik geworden sind." Ob die Werbung gelungen ist, können wir nicht beurteilen: für selbstzahlende Bürger war der Kongress leider zu teuer.

Da hat so manche Bürgerinitiative in Sachen Veranstaltungen mehr auf die Beine gestellt. Die BI Dreieich zum Beispiel hat im letzten Jahr mindestens ein halbes Dutzend gut besuchte Veranstaltungen organisiert, auf denen Experten ein bestimmtes Sachthema vertieft dargestellt und diskutiert haben. Und dies ohne Millionen-Etat.

Im Ausblick auf das zweite Geschäftsjahr wird uns unter anderem ein Newsletter („dialog brief“) versprochen. Die öffentlichen Veranstaltungen sollen jetzt in zwei Varianten stattfinden, „Informationsvermittlung durch neutrale Experten“ und „Austausch“. Ein halbes Geschäftsjahr ist allerdings schon um, ohne dass wir auch nur eine einzige solche Veranstaltung bemerkt hätten.

Der Originaltext zur Zielsetzung der zweiten Veranstaltungsvariante soll dem Leser auf keinen Fall vorenthalten werden: „Akzent 'Austausch': Die unterschiedlichen Positionen und Meinungen werden hier in Form von Diskussionen im offenen Plenum ausgetauscht. Die sachliche Information sollte eher nebenbei laufen; das Hauptaugenmerk liegt darin, dass - idealerweise - die starren Positionen aufgeweicht werden (Stichwort: enabling für Mediation/ empowerment der Mitglieder des RDF für Kompromisslösungen).“

Wir haben lange überlegt, was das heißen könnte, und sind zu folgendem Ergebnis gekommen: die Bürger sollen „ihren“ RDF-Mitglieder das OK geben, endlich dem (Ausbau-) Kompromiss zuzustimmen.

Darauf kann das RDF allerdings lange warten ...

Themen hierzuAssciated topics:

Flughafen-Ausbau FRA „Mediations“-Verfahren zum Ausbau des Frankfurter Flughafens

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